Durchwachsene Makro-Signale – anhaltende Herausforderungen bei Bitcoin
In dieser Woche richten sich alle Augen auf die anstehenden CPI- und PPI-Daten, die für die Beurteilung der Inflationstrends in den USA entscheidend sind. Ein höher als erwartetes Ergebnis würde auf eine anhaltende Inflation hindeuten und die US-Notenbank wahrscheinlich dazu veranlassen, ihre hohen Zinssätze beizubehalten. Das würde die Anleger dazu veranlassen, sich von Kryptoassets abzuwenden und sich eher auf die sichere Seite zu begeben und festverzinsliche Anlagen wie US-Staatsanleihen zu bevorzugen.
Abgesehen davon scheint die Inflation in den USA zu sinken, da das BIP im ersten Quartal des Jahres auf 1,4 Prozent zurückging, was im Vergleich zur Situation Ende 2023 eine rasche Verlangsamung darstellt. Diese ist wichtig, um die Preise zu zügeln. Der PCE-Wert ( Personal Consumption Expenditure Price Index), der die Konsumausgaben des letzten Monats widerspiegelt, lag ebenfalls bei 2,6 Prozent und entsprach damit den Erwartungen. Darüber hinaus hat der jüngste Arbeitsmarktbericht gezeigt, dass die Gesamtzahl der Amerikaner, die Arbeitslosenunterstützung beziehen, in der neunten Woche in Folge gestiegen ist und mit 1,86 Millionen den höchsten Stand seit November 2021 erreicht hat! Das bedeutet einen Anstieg der Arbeitslosenrate auf 4,1 Prozent, was auf eine Verlangsamung des Arbeitsmarktes hindeutet, was den Inflationsdruck weiter verringern könnte.
Die weltweite Liquidität nimmt jedoch stark ab (siehe Abbildung 1), was durch einen 13-prozentigen Anstieg des US-Repo-Volumens[1] im Juni belegt wird. Dies deutet darauf hin, dass die Finanzinstitute zur Sicherung kurzfristiger Mittel auf besicherte Kredite zurückgreifen. Dies ist ein Zeichen dafür, das Barmittel knapper sind und Kreditkosten höher ausfallen. Auch in Europa stieg das EU-Repo-Volumen auf über 300 Milliarden Euro, was die Liquiditätsbedingungen weiter verschärft. Weniger globale Liquidität bedeutet einen geringeren Kapitalfluss in risikobehaftete Vermögenswerte, was den Kryptomarkt trotz des nachlassenden Inflationsdrucks unter Druck setzen könnte.
Abbildung 1 – Zentralbankbilanzen EU und USA
Quelle: Trading View
Was den Kryptomarkt angeht, so ist Bitcoin derzeit mit einer Kombination aus brancheneigenen Faktoren konfrontiert, die zum jüngsten Kursrückgang dieses Vermögenswerts beitragen. So hat die deutsche Regierung vergangene Woche täglich fast 1.000 BTC, also fast 58 Millionen Dollar pro Tag aus dem beschlagnahmten Bestand der Raubkopier-Website Movie2K verkauft. Der dadurch erzeugte Verkaufsdruck könnte noch etwa zwei bis drei Wochen anhalten, bis der Rest der 26.000 BTC liquidiert ist. Darüber hinaus hat das Rückzahlungsprogramm der insolventen Krypto-Börse Mt. Gox begonnen. Fast 47.000 BTC wurden an nicht identifizierte Wallets überwiesen, deren Inhaber bisher noch keine weiteren Schritte unternommen haben. Dies deutet darauf hin, dass dieser Betrag, der BTC im Wert von 2,7 Milliarden Dollar entspricht, der erste Teil sein wird, der an die Gläubiger zurückgezahlt wird. Die Gläubiger werden ihre Zuteilung über mehrere Tage und verschiedene Börsen erhalten, was den Verkaufsdruck verringern dürfte. Angesichts des starken Preisanstiegs von BTC in den letzten zehn Jahren seit dem Börsenhack dürften es zudem auch steuerliche Gründe sein, die Gläubiger davon abhalten, nicht sofort zu verkaufen.
Dennoch scheint die Liquidität von Bitcoin ausreichend zu sein, um einem möglichen Verkaufsdruck ohne nennenswerte Auswirkungen auf den Markt standzuhalten. Selbst an den ruhigsten Tagen lag der durchschnittliche Zufluss zu den Börsen bei etwa 20.000 BTC siehe Abbildung 2). Darüber hinaus sind auf der liquidesten Börse, Bitfinex, etwa 500 BTC erforderlich, um einen 2-prozentigen Rückgang des BTC-Preises zu bewirken. Und durchschnittlich 250 BTC auf den nächsten drei liquidesten Plattformen, um eine ähnliche Preisbewegung hervorzurufen. Daher erscheint ein Preisrückgang von 10-15 Prozent plausibel, wenn die Gläubiger im schlimmsten Fall alle ihre Bestände sofort verkaufen, was unserer Meinung nach nicht wahrscheinlich ist. Darüber hinaus könnten Einzelanleger mit großen Beträgen auch außerbörslich (OTC) verkaufen, um einen besseren Kurs zu erzielen und Kursschwankungen zu vermeiden, was die Auswirkungen ihrer BTC-Abgabe auf den Markt weiter mildern könnte.
Abbildung 2: Gesamtes Transfervolumen von BTC an Börsen
Quelle: Glassnode
Auch der Verkaufsdruck der Miner ist ein Punkt, der zu berücksichtigen ist. Nachdem sie im Juni fast 30.000 BTC veräußert hatten, haben die Miningfirmen ihre Verkaufsaktivitäten in den letzten zwei Wochen endgültig zurückgefahren. Damit liegen ihre aktuellen Reserven bei etwa 1,9 Millionen BTC (siehe Abbildung 3), der niedrigste Stand der letzten 10 Jahre. Letztlich wird die Bitcoin-Mining-Difficulty, ein Maß dafür, wie schwierig es ist, einen neuen Block in der Blockchain zu finden und zu „minen“, um 5 Prozent sinken, was den zweitgrößten Rückgang seit dem FTX-Zusammenbruch darstellt. Dies wird den Minern zugutekommen, da sie mit weniger Aufwand mehr Bitcoin produzieren können, was ihre Rentabilität verbessern dürfte.
Abbildung 3: Bilanz der Bitcoin Miner
Quelle: Glassnode
Die „On-Chain-Daten“, also alle direkt auf der Blockchain gespeicherten und nachvollziehbaren Daten, zeigen allerdings den positiven Aspekt, dass Langfrist-Halter (LTHs) ihren BTC-Bestand seit Ende Juni nicht mehr reduziert haben. Dies ist eine vielversprechende Entwicklung, denn die Aufrechterhaltung eines stabilen Angebots durch LTHs für Bitcoin ist entscheidend, um seine Aufwärtsdynamik aufrechtzuerhalten. Auch das sogenannte „MVRV-Verhältnis“ von Bitcoin, das den aktuellen Marktpreis mit dem "realisierten Preis" vergleicht (dem durchschnittlichen Preis, zu dem jede Coin zuletzt bewegt wurde), deutet darauf hin, dass Bitcoin derzeit auf einem ähnlichen Niveau wie im Juni 2021 gehandelt wird, als es bei etwa 30.000 US-Dollar lag. Bemerkenswerterweise erholte sich Bitcoin von diesem Preisniveau und erreichte kurze Zeit später im Jahr 2021 sein Allzeithoch. Dies könnte ein ermutigendes Zeichen für das Wachstumspotenzial von Bitcoin im Vergleich zu anderen Vermögenswerten während des aktuellen Marktzyklus sein.
Abbildung 4: Der Marktwert von Bitcoin im Verhältnis zum realisierten Wert (MVRV)
Quelle: Glassnode
Es gibt also durchaus potentielle Impulsgeber, die das Blatt in den kommenden Monaten wenden könnten. Dazu gehört auch ein Wiederanstieg der Zuflüsse in börsengehandelte Fonds. Diese könnten den Verkaufsdruck ausgleichen, der durch den Zustrom von BTC auf den Markt ausgelöst wurde. Im ersten Quartal gab es Tage, an denen dieses regulierte Investmentvehikel mehr als 10.000 BTC absorbierte (siehe Abbildung 5). Darüber hinaus könnten neue Marktteilnehmer, wie beispielsweise registrierte Anlageberater (RIAs), die die wohlhabendsten Anleger vertreten, die Dynamik von Angebot und Nachfrage am Markt erheblich verändern.
Auch die in den nächsten zwei Wochen erwartete Zulassung von Ethereum-ETFs dürfte das Interesse am Markt neu entfachen. Auch wenn die Zuflüsse in den ersten Monaten des Jahres voraussichtlich bestenfalls 25 Prozent der in Bitcoin-ETFs investierten 10 Milliarden US-Dollar ausmachen werden – es dürfte dennoch ein breiteres Interesse am Markt auslösen und den Token des Ethereum-Ökosystems zugutekommen.
Auch die Wahlsaison könnten den Markt der Kryptoassets Schwung verleihen. Insbesondere in den USA ist Bitcoin zu einem polarisierenden Wahlkampfinstrument für die Republikaner geworden, zumal sich Präsidentschaftskandidat Trump an vorderster Front für den nach Marktkapitalisierung größten Krypto-Asset einsetzt. Und tatsächlich hat die Republikanische Partei die Befürwortung von BTC offiziell in ihre Wahlkampagne für 2024 aufgenommen, was den wachsenden Einfluss von Krypto in der US-Politik zeigt.
Abbildung 5: Zuflüsse in Bitcoin durch US Spot ETFs
Quelle: Glassnode
Der Kalender dieser Woche
Source: Forex Factory, 21Shares